
3 Fragen an Titus Bütler, Leiter Transporte der Schweizerischen Post
Welche Ziele verfolgt die Schweizerische Post mit ihrer Bahnoffensive? Erfahren Sie mehr im Interview mit Titus Bütler, Leiter Transporte der Schweizerischen Post und Referent an der Bahn25.
Welche Rolle spielt der Bahntransport für die Logistik der Post?
Titus Bütler: Die Bahn ist integraler Bestandteil unserer Logistikstrategie. Über 50% aller Briefe und Pakete machen einen Teil ihrer Reise per Bahn. Werktäglich gibt es auf dem Normalspurnetz 84 Verbindungen zwischen den Standorten der Post. Die dedizierten Postzüge verbinden täglich mehrmals die grossen Brief- und Paketzentren zwischen Genf und St. Gallen, ergänzende Züge fahren Richtung Brig, Basel, Cadenazzo und Chur. Alles in allem entspricht dies rund 130'000 Bahnwagen pro Jahr. Die Paketzentren verfügen über eigene KV-Terminals, was europaweit einmalig ist.
Zusätzlich fahren auch auf Schmalspur Briefe und Pakete in die Bergregionen, zum Beispiel nach Zermatt, Davos, Scuol, Zernez oder Samedan.
Unsere Kunden wollen verlässliche Dienstleistungen und oft einen schnellen und nachhaltigen Transport: Ein Brief aus Appenzell nach Zermatt braucht zwischen Aufgabe bis Zustellung beim Empfänger nur rund 18 Stunden. Ein A-Post Paket mit einer Uhr, in Genf um 17.00 Uhr beim Hersteller abgeholt, ist am nächsten Tag um 10.00 Uhr beim Bijoutier in St. Moritz. Das ist schneller als ein 24h-Lieferdienst – schweizweit und flächendeckend. Das ist nur möglich, wenn alle Prozesse präzise ineinandergreifen und die Transporte dazwischen schnell und minutengenau verkehren. In dieser Kette zählt jede Minute. Unsere Transporte brauchen Geschwindigkeit und Pünktlichkeit.
Die Post setzt auf eine Bahnoffensive. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Bis vor vier Jahren ging der Anteil Bahntransporte der Post stetig zurück. Die Gründe waren vielfältig, primär aber geprägt durch die relative Langsamkeit des Schienengüterverkehrs. Leider ist die Durchschnittsgeschwindigkeit oft nicht einmal 50 km/h – da kann ein Lastwagen auch mal eine Stunde im Stau stehen und ist immer noch schneller als der Zug.
Wir haben ambitionierte Nachhaltigkeitsziele und verfügen bereits über die notwendige Infrastruktur für die Bahntransporte. Wir haben uns deshalb gefragt: «Wie können wir mehr auf der Bahn transportieren?».
Mit der 2021 gestarteten Bahnoffensive wirken wir auf vielen Ebenen. Wir schrauben entlang der gesamten Prozesskette – jede gewonnene Minute zählt. Dies passiert über Prozessoptimierungen, Datenanalysen, Anpassungen an der Infrastruktur, neuen Konzepten sowie über interne und externe Überzeugungsarbeit. Viele Fortschritte konnten gemeinsam mit unserer Partnerin SBB Cargo erreicht werden. Seit Beginn der Bahnoffensive konnten wir das Volumen auf der Schiene bereits deutlich steigern: 2023 wurden 1.3 Mio. Kilometervom Diesel-Lastwagen auf die Bahn verlagert und im Jahr 2024 sind die Bahnkilometer um stolze 15,8 % gestiegen.
Die Überzeugungsarbeit gegen aussen ist besonders wichtig: Für die Bahnindustrie sind Güterzüge langsam, schwer und nicht zeitkritisch. Deshalb gibt es heute eigentlich keine richtig guten Trassen für schnelle Güterzüge. Unsere Züge sind aber keine schweren und langsamen Güterzüge: Sie sind leicht und schnell. Unser Rollmaterial ist teilweise für 160km/h zugelassen – und trotzdem müssen unsere Postzüge oft einem Regionalzug nachschleichen, obwohl wir eigentlich IC-Tempo fahren könnten. Da gibt es Potenzial.
Unsere Vision ist, dass die Züge so schnell und eng getaktet fahren, dass wir auf den Schienen-Hauptachsen einen konstanten und effizienten Warenfluss haben. Dazu müssen die Fahrzeiten massiv schneller werden: 3h zwischen Frauenfeld und Daillens sind das Ziel.
Was sind die grössten Hürden bei der Verlagerung von Konsumgütern von der Strasse auf die Schiene?
Konsumgüter sind kleinteilig und so eigentlich für den flexiblen Lastwagen prädestiniert. Wenn man sie aber bündelt, gibt es Potenzial für die Nutzung der Bahn. Diese Bündelung ist das Geschäft der Spediteure und Transporteure. Gleichzeitig sind die Serviceerwartungen der Kunden deutlich grösser: Der Konsument erwartet eine schnelle oder zumindest zeitlich präzise Lieferung. Die Spediteure und Transporteure werden die Bahn wählen, wenn es passende Angebote oder Möglichkeiten gibt.
Die Bahnindustrie ist auf diese Veränderung der Nachfrage nicht eingestellt – sie denkt und handelt oft noch in der Welt der schweren und langsamen Güterzüge der Vergangenheit. Auch der Infrastrukturausbau orientiert sich daran, aber: Konsumgüter brauchen keine Überholgeleise für 600m-Züge; sie sollen mitfahren im Takt der Reisezüge, regelmässig und schnell.
Mit den Ausbauschritten 2035 wurden die Zeichen der Zeit teilweise erkannt. Es gibt jetzt Express-Trassen, allerdings sind diese von einer wirklichen Expressverbindung weit entfernt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist tiefer als auf der Strasse. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine Verlagerung schneller Transporte auf die Bahn. Hier sind Nachjustierungen notwendig. Es braucht effektiv schnelle Trassen für zuverlässige und minutengenaue Transporte.
Heute sind die schnellen Postzüge eine Ausnahme im Schienennetz. In Zukunft sollen auch andere Güter so schnell reisen. Damit kann man auch im Binnenverkehr Güter auf die Bahn verlagern.