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Bettina Castillo, Vorstandsmitglied der Rail Cargo Group

3 Fragen an Bettina Castillo, Vorstandsmitglied der Rail Cargo Group

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Europa braucht mehr Schiene: Bettina Castillo, Vorstandsmitglied der Rail Cargo Group und Teilnehmerin beim «Talk der Transportunternehmen» am Bahnkongress Bahn25, über Hindernisse und Lösungen im Güterverkehr.

Im europäischen Schienengüterverkehr gelten unterschiedliche Regeln und Standards. Wo sehen Sie Handlungsbedarf, damit die Züge hindernisfrei über Grenzen hinweg unterwegs sind?

Dieser «Fleckerlteppich» ist historisch gewachsen und zeigt sich besonders im grenzüberschreitenden Bahnverkehr. Die Folge sind unkoordinierte Baustellen, infrastrukturelle Engpässe an Grenzübergängen sowie Einschränkungen bei Geschwindigkeit, Gewicht und Zuglänge – ganz zu schweigen von Sprachbarrieren und unterschiedlichen Arbeitszeitgesetzen. Besonders problematisch ist zudem der oft schlechte Zustand der Infrastruktur.

Ein aktuelles Beispiel ist derzeit Deutschland, wo langwierige Bauarbeiten zu erheblichen Umwegen und Mehrkosten führen – etwa durch die 2026 gesperrte Strecke Passau–Regensburg–Nürnberg. Diese Mehrkosten werden von den Kunden am Markt nicht bezahlt. Ein weiteres Hindernis findet sich beim Zugsicherungssystem ETCS, welches von Infrastrukturbetreibern zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Betrieb genommen wird.

Die Verkehrspolitik hat einen entscheidenden Hebel in der Hand, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Doch auch intern müssen wir unseren Beitrag leisten und unsere Hausaufgaben machen. Derzeit arbeiten wir daran, unser Produktionsnetzwerk resilient zu gestalten – etwa durch Alternativrouten in Eigentraktion – wie über Serbien in die Türkei anstelle der bisherigen Strecke über Rumänien. Gleichzeitig investieren wir entlang von Korridoren massiv in Multifunktionalität von Triebfahrzeugen und Personal. Diese Resilienz, die auf der Strasse aufgrund von dichtem Netz und voller Interoperabilität normal ist, müssen wir uns im Schienensektor hart erarbeiten. Ich bin aber davon überzeugt: Nachhaltige Lösungen entstehen nicht im Alleingang, sondern nur mit einer gesamteuropäischen Perspektive – so, wie es in anderen Transportindustrien längst der Standard ist.

Die RCG ist wie viele Bahnunternehmen bestrebt, den Schienenanteil im Transport zu erhöhen. Welches Ziel haben Sie sich gesetzt und welche Strategie hilft Ihnen dabei?

Konkret streben wir in Europa nach einem Modalanteil von 30 Prozent bis zum Jahr 2030. Darum haben wir uns mit anderen europäischen Güterbahnen im Zuge der Initiative «Rail Freight Forward» zusammengeschlossen. 

Drei Faktoren sind entscheidend, damit der Modalanteil steigt: Eisenbahnverkehrsunternehmen müssen ihre Hausaufgaben machen, um schneller, moderner und kundenzentrierter zu werden. Das tun wir beispielsweise, indem wir unser Produktionsnetzwerk resilient gestalten oder in Digitalisierung investieren. Neben fairen Wettbewerbsbedingungen und einer Kostenwahrheit zwischen Schiene und Strasse benötigt es darüber hinaus eine europaweit koordinierte, leistungsfähige Infrastruktur. Einen Zug durch Europa zu fahren, muss so einfach sein wie einen Lkw. Dafür brauchen wir mehr Europa und weniger nationale Regelungen. 

Frauen in der Führungsetage von Logistikunternehmen sind nicht die Regel. Ist das ein Problem?

Ein hoher Grad an Diversität in Führungspositionen eröffnet neue Perspektiven und bereichert die Unternehmenskultur – sie wird dynamischer, kreativer und innovationsfreudiger. Das ist nicht nur ein gesellschaftlicher Auftrag, sondern auch bewiesenermassen ein Wettbewerbsvorteil für die gesamte Branche. In meinen 15+ Berufsjahren in verschiedensten Positionen habe ich eine klare Entwicklung beobachtet: Es tut sich etwas! Immer mehr Frauen begeistern sich für die facettenreiche Welt der Logistik. Das ist ein positiver Trend, aber es gibt noch viel zu tun. Unternehmensweit setzen wir gezielte Massnahmen, um diesen Wandel zu unterstützen. Unser Ziel ist es, die besten Talente für die richtigen Positionen zu gewinnen und langfristig zu halten – unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft.


Die ÖBB Rail Cargo Group (RCG)

Ist führender Bahnlogistiker in Europa und bietet Logistiklösungen von der ersten bis zur letzten Meile für unterschiedlichste Branchen quer über den gesamten eurasischen Kontinent. 5.912 Mitarbeitende aus 34 Nationen ermöglichen, dass jährlich rund 419’000 bzw. täglich rund 1.150 Züge sicher an ihr Ziel gebracht werden.Bettina Castillo ist seit 2024 Vorständin und verantwortet den Bereich Produktion und Instandhaltung.